Wie oft hast du dir selbst schon gesagt, dass du dieses oder jenes jetzt einfach loslassen willst? Loslassen ist überhaupt sehr in Mode gekommen. Überall hört man, lass es einfach los!
Also wenn das mit dem Loslassen so einfach wäre, dann hätten wir ja alle schon alles was uns belastet einfach losgelassen, nicht?
Loslassen wollen wir ja primär etwas, was uns in irgendeiner Form belastet. Etwas, was wir als unerwünscht empfinden: Kilos, sogenannt negative Gefühle, unglückliche Beziehungen, ein leeres Bankkonto, stressige Arbeitswelten… und so weiter und so fort. Das Interessante daran ist, dass wir eigentlich nicht die jeweilige Tatsache loswerden wollen, sondern die Gefühle, die dieser Umstand in uns auslöst. Und hier kommt der Knackpunkt – denn genau darum geht es. Was wäre, wenn du das Wort LOSlassen einmal mit dem Wort ZUlassen ersetzen würdest?
Stell dir einmal vor, du nimmst die Situation in deinem Leben, die dich zurzeit am meisten umtreibt. Und jetzt versuchst du sie nicht mehr loszulassen, sondern lässt sie voll und ganz zu. Du lässt dich darauf ein. Keine Ausweichmanöver mehr. Kein Schönreden. Du nimmst die ganze nackte Wahrheit und lässt dich auf alle Gefühle ein, die diese Situation in dir auslösen. Alles ist jetzt Willkommen. Ich weiss, das ist grosses Kino – aber es ist ein Schlüssel.
Ich kenne das aus meinem eigenen Leben bestens. Ganz besonders stark kenne ich dieses Nicht-Fühlen-Wollen von meiner Angst-Störung: Jedes Mal, wenn ich gemerkt habe, dass die Angst kommt, habe ich alles versucht, um sie zu verdrängen, sofort wieder loszuwerden und sie nicht zu fühlen. Zu gross war die Bedrohung. Erst mit vielen Jahren Therapie und Selbsterforschung habe ich nach und nach zulassen können, mich von der Angst-Welle fluten zu lassen. Aber noch heute ist mein erster Reflex manchmal Abwehr. Es ist total normal und sehr menschlich, dass wir diese Abwehr-Reflexe haben.
Dennoch möchte ich dich einladen: Versuche es einmal. Ziehe die Möglichkeit einfach mal in Betracht, dass du gar nichts loswerden musst. Sondern dass das Leben dir diese Situation schenkt, damit du mit genau diesen Gefühlen in Kontakt kommen kannst. Weil sie wichtig sind für dich. Weil sie dich ganzer machen. Weil es dich unfrei macht, wenn du sie ein Leben lang vermeiden und verdrängen musst. Und weil dein ganzes Wesen darauf wartet, von dir umarmt zu werden.